Auf den Spuren von Dracula durch Transylvanien

Von Dominik Landwehr


Dieser Artikel erschien am 13.August 1997 in der Schweizer Wochenzeitung "Brückenbauer"


Leben und Landschaft haben das Gesicht dieses rumänischen Bauern geprägt.

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Praktische Tips

 

 

 

Das sagenumwobene Transsilvanien oder Siebenbürgen hat schon den Schriftsteller Bram Stoker, den Autor des «Dracula»-Romans, inspiriert. Es ist auch heute noch eine Gegend, die zu entdecken sich lohnt.

«Den ganzen Tag zockelten wir durch eine Landschaft, die voller Schönheit jeder Art war. Manchmal erblickten wir kleine Städte oder Schlösser auf dem Gipfel steiler Berge, dann wieder fuhren wir an Flüssen und Strömen entlang, die bisweilen wildes Hochwasser führen.» So beschreibt Jonathan Harker - die Hauptfigur in Bram Stokers 1897 erschienenen Werk «Dracula» - die Reise durch Transsilvanien, das damals zu Österreich-Ungarn gehörte.

Der geographische Rahmen stimmt: Bistritz, das heutige Bistrita, und den Gasthof «Zur Goldenen Krone», wo Harker seine letzte Nacht vor dem Besuch im Schloss verbrachte, gibt es wirklich. Um zu Draculas Schloss zu gelangen, musste Jonathan Harker frühmorgens um drei Uhr die Postkutsche nehmen und auf den Borgopass fahren.

Auf diesem Pass - dem Übergang von Transsilvanien in die Bukowina - liess der untote Graf Dracula seinen neugierigen Gast mit einer Kutsche abholen. Die Fahrt über den Pass ist auch heute durchaus lohnenswert: Die Strasse führt durch verträumte, kleine Bauernorte, und der Reisende muss aufpassen, dass er mitten in den Dörfern keine Gänse überfährt.

Inspiration von anderswo

Auf der Passhöhe findet er ein hässliches grosses Gebäude, das nie und nimmer unserer Vorstellung von Draculas Schloss entspricht, auch wenn es dies zu sein vorgibt.

Das mag daran liegen, dass der Autor die Inspiration für das Dracula-Schloss an einem anderen Ort holte: in den dichten Wäldern des südlichen Karpatenbogens in der Nähe von Brasov. Hier liegt das Schloss Bran, das aber geschichtlich nichts mit der Dracula-Legende zu tun hat.

Brasov - zu deutsch Kronstadt - ist eine der grossen Städte Siebenbürgens: In kommunistischer Zeit wurden in dieser Stadt Fabriken für Helikopter und Traktoren aufgebaut, heute füllt Coca-Cola hier Limonaden ab.

Die Siebenbürger Sachsen kamen im 12.Jahrhundert aus Deutschland in die damals dünn besiedelte Gegend und haben diesem Landesteil ihren unverwechselbaren Stempel aufgedrückt. Die Innenstädte und die Kirchen können ihre deutsche Herkunft nicht verleugnen, auch wenn fast alle ihrer ursprünglichen Bewohner zurück nach Deutschland gefahren sind.

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Immer wieder stösst man auf solche typischen Häuserzeilen der deutschen Siedler.

 

 

Die Fahrt von Brasov nordöstlich bis zur nächsten grösseren Ortschaft, Sigishoara, gehört landschaftlich vielleicht zu den schönsten Erlebnissen, die man im heutigen Osteuropa haben kann: Wir passieren alte Sachsendörfer mit so klingenden Namen wie Rotbav, Feldiora, Maierus, Rupea. Noch in den rumänischen Namen klingt die deutsche Vergangenheit nach: Rotbach, Marienburg, Nussbach, Reps. Zwischen den Dörfern liegen Hügel, kleine Wälder, Riedlandschaften und Maisfelder. Schafherden gehören zum gewohnten Bild.

In Sigishoara - zu deutsch Schässburg - nehmen wir die Spur von Dracula wieder auf: Hier hat der sagenhafte rumänische Fürst Vlad Tepes, Sohn des Vlad Dracul, in den Jahren 1431 bis 1435 gelebt. Vlad Tepes hatte im Volk den Beinamen «der Pfähler»: Er soll seine Feinde mit einem Pfahl mitten ins Herz hingerichtet haben!

Die Sage vom blutsaugenden Vampir, die im ganzen Balkanraum erzählt wird, hat der Schriftsteller Bram Stoker in seinem «Dracula»-Buch mit der Geschichte des grausamen Fürsten verwoben.

Verträumtes Dorf

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Die Kirchenburg Biertan bei Sigishoara ist ein Juwel aus der Geschichte von Siebenbürgen. Unweit davon, in Sigishoara, lebte im 15. Jahrhundert Draculas Familie.

 

 

Nur eine halbe Autostunde von Sigishoara entfernt, abseits der Hauptstrasse, liegt ein verträumtes Dorf mit dem Namen Biertan. Hier haben die Sachsen eine der imposantesten Kirchenburgen gebaut, die für diese Landesgegend so typisch sind. Von diesen Burgen leitet sich auch der Name Siebenbürgen ab. Kirchenburgen waren, wie der Name es sagt, befestigte Kirchen, die den Dorfbewohnern in unruhigen Zeiten Schutz und Sicherheit boten.

Durch einen überdachten Aufgang gelangt man den Hügel hinauf zur Kirche und geniesst die Aussicht in die Hinterhöfe des Dorfes. Das Gästehaus im inneren Teil der Burgmauer erfüllt alle Ansprüche an eine romantische und rustikale Herberge.

Gepflästert ist in diesem Dorf nur die Hauptstrasse, Pferd und Wagen sind das häufigste Transportmittel. Wer einen Moment innehält, hört alle möglichen Geräusche: das Rauschen des Baches, Hufgetrappel, Rufe, Hühnergegacker - nur Automotoren sind eine Seltenheit. Viele Bewohner holen das Wasser im Brunnen vor dem Haus, währenddem sie in der Stube dank einer Satellitenschüssel auf dem Dach RTL, MTV und CNN schauen können.

In rund zwei Stunden ist man im nahegelegenen Sibiu - zu deutsch Hermannstadt. Im mondänen Hotel «Römischer Kaiser» speist man heute wie zu Zeiten der Donaumonarchie. Dementsprechend fehlt auch der Palatschinken nebst anderen Köstlichkeiten nicht auf der Karte.

Ceausescus Träume

Auf dem Weg dorthin kommen wir an schwarzen Häusern der kleinen Ortschaft Copsa Mica (Kleinkopisch) vorbei. Der Ort wurde nach dem Umsturz von 1989/90 zu einem traurigen Symbol: In einer riesigen Industrieanlage wurde jahrzehntelang Altöl zu Russ, einem Rohstoff für die Gummiproduktion, verbrannt - ohne Filter, ohne Rücksicht auf Mensch und Umwelt.

Wir denken an die Worte der deutschrumänischen Schriftstellerin Herta Müller: «Ceausescu ist durch seinen Tod nicht verschwunden. Seine Fingerabdrücke sind als zerstörte Städte und Dörfer, als verwüstete Landschaft überall sichtbar. Ceausescus Träume sind Friedhöfe im Land.»

Dominik Landwehr

 

Literatur:

Weitere Bücher finden sich in einer separaten Literaturliste zum Thema "Rumänien"


Praktische Tips

Anreise: Die Swissair fliegt täglich ab Zürich nach Bukarest. Danach weiter per Zug oder Mietwagen: Alle grossen Mietwagenfirmen haben in Rumänien Niederlassungen. Auch die Zugsreise via Wien und Budapest besitzt ihre Reize, vorausgesetzt man hat genug Zeit: Eine Nacht und ein Tag sind dafür zu rechnen. Gleich lang benötigt man mit dem Auto. Achtung: Bleifreies Benzin ist nur in grösseren Ortschaften zu finden.

Formalitäten: Schweizer benötigen für die Einreise ein gültiges Visum. Die rumänische Botschaft in Bern stellt es für 60 Franken innert weniger Tage aus.

Übernachtungen: Rumäniens touristische Infrastruktur ist bescheiden. Zwar gibt es in allen Städten genügend Hotels. Deren Komfort ist jedoch trotz stolzem Preis oft gering. Abseits der Städte wird es schwierig, oft ist man in einem Zelt am besten untergebracht. - Eine Liste mitÜbernachtungsmöglichkeiten bietet die evangelische Kirche.

Wir schicken ihnen die Liste gegen die Einsendung eines frankierten Rückantwortcouverts (Adresse: «Brückenbauer» - Reisen: Siebenbürgen - Postfach - 8031 Zürich). Diese Unterkünfte sind ideal für all jene, die zum Beispiel mit dem Fahrrad auf Entdeckungsreise sind.

Wandern: Siebenbürgen bietet reiche Möglichkeiten zum Wandern durch unberührte Natur und verträumte Dörfer. Landkarten sind aber kaum erhältlich. Dieser Titel hilft weiter: Henning Schwarz: Rumänische Karpaten. Wanderführer. Edition Aragon.

Literatur: Auch die Reiseführer für dieses Gebiet sind dünn gesät, die Informationen veralten schnell. Trotzdem empfehlenswert: Stephan Hoffstadt/Edgar Zippel: Reiseland Rumänien. Edition Aragon.

Weitere Bücher finden sich in einer separaten Literaturliste zum Thema "Rumänien"

Sprache: Vorwiegend Rumänisch oder Ungarisch, vielerorts versteht man aber auch Deutsch, Französisch und Englisch.

Informationen, darunter ein Überblick über die Gästehäuser der evangelischen Kirche in Siebenbürgen, finden sich auch im Internet.

D.L.

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