|
Haltbarkeit von Speichermedien: Kein Backup für die Ewigkeit Von Dominik Landwehr Niemals zuvor hat der Mensch eine so grosse Menge an schriftlichen Informationen erzeugt aber noch nie zuvor waren diese Informationen so fragil. Der Grund: Keines der heute bekannten digitalen Speichermedien vermag Daten länger als einige Jahrzehnte zu speichern. Eine Patentlösung für dieses Problem ist noch nicht in Sichtweite. Bis es einmal soweit ist hilft nur eines: Konsequentes Datenmanagement und das heisst vor allem regelmässiges Umkopieren der Daten. Archäologen, die sich dereinst einmal
mit unserer Zeit befassen, dürften eine überraschende Feststellung machen:
Zwar bescherte die elektronische Datenverarbeitung den Menschen am Ende
des 20. Jahrhunderts plötzlich Instrumente um mit ungeahnt grossen Datenbeständen
zu arbeiten und gleichzeitig auch ebensogrosse Datenbestände zu produzieren.
Was die Menschen aber zu Beginn des digitalen Zeitalters erarbeitet hatten,
konnten die die Forscher nicht herausfinden die Datenbestände liessen
sich auch mit den ausgeklügeltsten Methoden nicht mehr lesen. Viele Zeugnisse
des Schaffens werden darum der Nachwelt verborgen bleiben. Dies gilt für
Kulturgüter, für Radio und Fernsehdaten ebenso wie für Daten von Banken
und Versicherungen und natürlich auch für wissenschaftliche Daten. Zuwenig Problembewusstsein bei KMUs Jeder hat schon die Erfahrung gemacht, dass sich eine CD ROM zumal eine selbstgebrannt plötzlich nicht mehr lesen lässt. Meist hilft ein Ausweichen auf ein anderes Lesegerät weiter. Aber man bleibt alarmiert. Wer schon versucht hat, Daten von einer alten 5 ¼ Zoll Diskette einzulesen weiss, wie schwierig es ist, heute noch ein Lesegerät für dieses Format aufzutreiben, das noch bis Ende der 80er Jahre geläufig war. Die Ratgeberspalten von Computerzeitschriften beschäftigen sich immer wieder mit Ratschlägen für das Importieren von veralteten Datenformaten. Längst nicht für jedes Datenformat steht ein modernes Filter zur Verfügung, das ein problemloses Importieren ermöglicht. Abhilfe schafft dann nur ein Installieren des alten Systemes und ein Exportieren der Daten auf ein heute noch gebräuchliches Datenformat. Das Problem ist auch in Schweizer Firmen ein Dauerbrenner. Olaf Swantee, bei Compaq für Speichermedien (Enterprise Storage) zuständig, stellt eine differenzierte Wahrnehnumg fest: Vor allem Firmen, die sehr intensive IT-Nutzer sind, beschäftigen sich mit dem Problem. Dazu gehört die Telekom-Branche, der Media and Entertainment Bereich und die Finanzdienstleister. Defizite ortet der Compaq-Manager im Bereich KMU: Dazu gehören zum Beispiel Architekturbüros oder Anwaltskanzleien hier fehlt oft ein Problembewusstsein und demensprechend hat man dort auch keine Strategien. Vielfältige Gründe Digitale Informationen bestehen eigentlich nur aus Nullen und Einsen. Solche simplen Daten aufzubewahren sollte kein Problem sein, denkt man. Weit gefehlt. Das Problem ist vielschichtig und die Schwierigkeiten haben verschiedene Ursachen:
Man kennt heute die Lebensdauer der verwendeten Medien nur sehr schlecht. Es fehlt an Vergleichsdaten. Immerhin können physikalische Rahmenbedingungen wie Temperatur, Feuchtigkeit, Licht und mechanische Beanspruchung simuliert werden. Diese Simulationen führen dann zu mehr oder weniger zuverlässigen Schätzungen. Das Problem beginnt aber in der Regel schon viel früher Die gespeicherten Daten werden unlesbar, nicht weil das Medium kurzlebig ist, sondern weil die Systemwechsel so schnell sind. Zu diesem Schluss kommt eine Studie, welche an der Abteilung für für wissenschaftliche Photographie an der Universität Basel erarbeitet wurde. Auftraggeber war übrigens das Bundesamt für Zivilschutz ein Hinweis, dass man sich auch an offiziellen Sorgen ernsthafte Gedanken über die Haltbarkeit von digitalen Daten macht. Der Produktekezyklus liegt heute bei nur gerade ein bis zwei
Jahren. Ab der zweiten Generation rückwärts Hilft ein Blick in die Zukunft? Erlösen uns bald neue
Speichertechnologien von unseren alten Sorgen? Mindestens in quantitativer
Hinsicht dürften bald keine Wünsche mehr offen bleiben. Die Speichermedien
werden immer leistungsfähiger. Einige, wenn auch nicht alle, werden auch
langlebiger. Hier ein kurzer Blick auf die wichtigsten Entwicklungen: Millipede Das Internet als Langzeitspeicher? Konzepte für die Gegenwart Eine andere Frage muss aber jeder Benutzer und jedes Speicherkonzept vorweg
klären: Welche Daten müssen überhaupt aufbewahrt werden? Der Elektroingenieur
Peter Vettiger, der sich am IBM Forschungslabor in Rüschlikon mit Mikro-
und Nanomechanik beschäftigt, glaubt, dass hier vielfach gesündigt wird:
Wir müssen lernen, ein neues Verhältnis zu Informationen zu finden.
Heute haben wir Zugang zu unendlich viel Information und wir produzieren
auch ebensoviel. Wir müssen lernen, auszuwählen. Das gilt nicht nur für
Individuen, sondern auch für Organisationen. Im Klartext: Ausmisten
kommt vor dem Archivieren. Oder etwas Eleganter: Die Daten müssen konsolidiert
werden. Denn noch bleibt Peter Vettigers Wunsch unerfüllt Daten
sollten eine Halbwertszeit haben und mit der Zeit einfach von selber zerfallen.
Digitale und analoge Medien altern unterschiedlich: Analoge Medien
verändern sich mehr oder weniger kontinuierlich, die Lesbarkeit der Daten
verschlechtert sich graduell bis zur totalen Unlesbarkeit. Eigentlich
ist es ja ganz einfach: Digitale Information ist entweder lesbar
und damit ohne Qualitätsverslust verfügbar, oder die Information ist unlesbar
und damit vollständig zerfallen, heisst es in der Basler Studie.
Die Tabelle gibt Antwort auf die Lagerbarkeit von verschiedenen Speichermedien.
Die Zeiträume variieren oft stark. Entscheidend sind in jedem Fall die
Umweltbedingungen, dazu gehören vor allem Wärme und Feuchtigkeit.
Kilo, Mega, Giga Denken in grossen Masseinheiten Wer sich mit Speichertechnologien beschäftigt, hat schnell einmal mit grossen Zahlen zu tun. Diese Tabelle schafft Klarheit
So bleiben ihre Daten länger frisch Die Archivierung von Datenbeständen ist eine anspruchsvolles Unterfangen. Die nachfolgende aufgeführten Tips gelten gleichermassen für den privaten und beruflichen Bereich haben ihre Gültigkeit für PCs ebenso wie für Mainframes. Die Basler Studie zählt die wichtigsten Punkte auf, die für eine Langzeitarchivierung beachtet werden müssen. Archivierungsstrategie, Formate, Datenträger und HardwareArchivierungsstrategie Zur Archivierungsstrategie zählt eine regelmässige Prüfung der Lesbarkeit, das Umkopieren oder Migrieren der Daten, das Sicherstellen von optimalen Lagerbedingungen, das Aufbewahren von wichtigen Daten an getrennten Orten, die Sicherstellung der Finanzierung. Ebenso gehört eine genaue Beschreibung der archivierten Daten dazu. Diese Beschreibungsdaten werden auch Meta-Daten genannt. Wer später nach bestimmten Daten sucht wird dies in der Regel anhand dieser Metadaten tun. Formate Die verwendeten Datenformate sollten nicht von einem bestimmten Typ Hardware abhängig sein. Das Datenformat sollte offen gelegt sein. Im Text-Bereich sind beispielsweise das HTML, PDF oder RTF weit besser geeignet als die ständig wechselnden Word-Formate. Bei den Bildformaten empfiehlt die Basler Studie das unkomprimierte, plattform-unabhängige TIFF-Format. Wegen der Kompression ist das verbreiterte JPG-Format weniger für eine Langzeitarchivierung von digitalen Bildbeständen geeignet, dasselbe gilt für den GIF-Standard. Datenträger Hardware Oft braucht es massgeschneiderte Lösungen Magnus Widmer, IBM Schweiz Marketing Produktebereich Speichersysteme Welche Bedeutung spielt die Haltbarkeit eines Speichermediums bei ihren Kunden? Die Kundenbedürfnisse sind sehr unterschiedlich. Wir unterscheiden dabei Backup und Archiv. Im Bereich Backup beispielsweise ist lange Haltbarkeit kein wichtiges Kriterium. Die Sicherheitskopien müssen eine Haltbarkeit aufweisen, die zwischen einigen Tagen und einigen Jahren schwankt. In den grossen Rechenzentren werden Backupkopien normalerweise auf Half-Inch Tapes gemacht. Diese Backups werden im Doppel angefertigt und an getrennten Orten aufbewahrt. Wie hoch ist die Lebensdauer von solchen Tapes? Wir garantieren hier im High-End Bereich bis zu zehn Jahren. Trotzdem empfehlen wir, nach fünf Jahren einen Blick auf die Daten zu werfen. Solche Bankopien sind sehr widerstandsfähig und ertragen auch mechanische Beschädigungen: Bei Tests haben wir auch schon Löcher ins Band gemacht und festgestellt, dass die Daten danach immer noch einwandfrei lesbar waren. Dies liegt daran, dass die Daten redundant aufs Tape geschrieben werden. Wie sieht es im Bereich Archivierung aus? Im Archiv-Bereich sind die Anforderungen höher. Wir sind hier mit sehr anspruchsvollen Situationen konfrontiert. Das Gesetz verlangt beispielsweise, dass Versicherungspolicen sehr lange aufbewahrt werden und gleichzeitig in einer Form vorliegen müssen, die eine nachträgliche Veränderung ausschliesst. Viele Unternehmen archivieren ihre Versicherungspolicen deshalb entweder auf Papier oder Mikrofilm. Andererseits gibt es die Möglichkeit, solche Dokumente einzuscannen. Dann enstseht eine Image-Datei. Die rechtlichen Anforderungen sind dabei dieselben. Welche Lösungen bieten sich hier an? In diesem Fall bieten sich optische Speichermedien an. Diese Speichermedien und Methoden unterscheiden sich stark von der CD-Technologie, die wir aus der Unterhaltungs-Industrie kennen. Es gibt im Bereich der professionellen, digitalen Archivierung verschiedene Speichertechnologien, teilweise werden optische und magnetische Techniken kombiniert. Wie lange ist die Lebenserwartung eines solchen Mediums? Sie beträgt bis zu 300 Jahren. Wir kennen sie dank Simulationen. Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob es in 300 Jahren auch noch die entsprechenden Laufwerkeb geben wird. Das ist mehr als fraglich. Deshalb bleibt auch hier nichts anderes, als die Daten alle paar Jahre umzukopieren. Dies spart zudem Platz, weil die Speichermedien auch von Jahr zu Jahr leistungsfähiger werden. Was passiert mit solchen Daten aber, wenn eine Firma aufhört zu existieren und die Datenbeständige nicht mehr umkopiert werden können? ...dann werden die Daten wohl nach wenigen Jahren nicht mehr lesbar sein, weil es an entsprechenden Lesegeräten fehlt. Dank Digitalisierung haben alten Medien eine Zukunft Analoge Medien sind zeitbeständiger als digitale Medien.Dieser Schluss mag einleuchtend tönen, in der Praxis ist die Situation aber komplexer. Immer mehr durchdringen sich analoge und digitale Medien. Das zeigen einige Beispiele: Historische Foto werden nur dank digitaler Archivierung überleben können. Dasselbe gilt für ausgebleichte oder sogar beschädigte Fotos. Die Restaurierung von analogen Bildmaterial ist ein wichtiger Forschungszweig des Instituts für wissenschaftliche Fotografie an der Uni Basel. Die Digitalisierung von Bildarchiven dürfte weltweit Arbeit auf Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte geben. Die Sicherung des audiovisuellen Erbes in der Schweiz überordert die traditionellen Institutionen. Nicht zuletzt deshalb wurde Verein zur Erhaltung des audiovisuellen Kulturgutes der Schweiz (Memoriav) gegründet: Er unterstützt betroffene Institutionen und stellt in einzelnen Fällen auch Geldmittel für die Digitalisierung zur Verfügung. Auch in die Bibliothek des Vatikans hat die Digitalisierung Einzug gehalten: Ein Programm, das mit IBM durchgeführt wird, erlaubt es in Zukunft sehr viel mehr als nur gerade den 2000 Forschern, die heute diese Bibliothek besuchen, Einblick in die über 150 000 einmaligen Drucke und Handschriften zu geben. Dank dieses Programms haben nicht nur sehr viel mehr Menschen Zugang zu diesen Quellen die wertvollen Bücher werden geschont, denn jede Benutzung beschädigt sie. Mit der Digitalisierung dürfte dieses Erbe auf lange Zeit hin gesichert sein unter der Voraussetzung, dass die Daten regelmässig umkopiert werden.... Langfristig kann nur eine konsequente Digitalisierung das Überleben von wichtigen Archivbeständen sichern. Darüber besteht in der Fachwelt Einigkeit. Exotisch aber durchaus nicht ohne Reize mutet das Projekt der Long Now Foundation an: Sie will wichtige Daten in analoger Form auf eine Nickelscheibe pressen. Pro Scheibe haben 350 000 Seiten Platz. Haltbarkeit: 2000 10 000 Jahre. Mit dem Projekt soll gesichert werden, dass die heute auf der Erde gebräuchlichen Sprachen auch noch in ferner Zukunft verstanden werden können. Die Nickel-Scheibe heisst denn auch The Rosetta Disk in Anlehnung an den 1799 in Ägypten entdeckten Rosetta-Stein. Die Inschriften in verschiedenen Sprachen ermöglichten die Entschlüsselung der rätselhaften Hieroglyphen.
Internet Grundlagen und philosophische
Fragen: The Long NowFoundation Alles über CD ROM IBM: Speichertechnologien der Zukunft Holografische Speichermedien Die HD Rosetta-Technologie von Norsam Fluorescent Multilayer Disc (FMD) Die Internet Library Die Bibliothek des Vatikan Verein zur Erhaltung des audiovisuellen Kulturgutes der Schweiz Abteilung für wissenschaftliche Fotografie Institut für physikalische
Chemie der Universität Basel Gedruckte Quellen Time & Bits. Managing Digital Continuity. Neue Technologien
und Kulturgüter. Studie für das Bundesamt für Zivilschutz. Hg. Von Rudolf
Gschwind, Lukas Rosenthaler Abt. für wissenschaftliche Fotografie der
Uni Basel und Franziska Frey Rochester University (USA). Diese Studie kann beim Bundesamt für Zivilschutz bestellt werden.
copyright 2001 compress + Dominik Landwehr |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||