CD ROM erobern die Kasernen

Schweizer Armee setzt auf Multimedia


Von Dominik Landwehr


Multimedia gilt als eine der Schlüsseltechnologien der Zukunft. Die neue Technologie hat auch Eingang in die Ausbildungsprogramme der Schweizer Armee gefunden: seit 1988 wird der Computer für Ausbildung und Training von Soldaten verwendet. Heute gibt es über 250 Stunden interakive Ausbildungsprogrammen. Lernstationen stehen an 15 Standorten im Einsatz, seit kurzem gibt es dank mobilen Einheiten sogar rollende Klassenzimmer. Das Interesse an den Ausbildungsprogramme ist riesig, die Qualität vorbildlich und auch zivile Organisationen interessieren sich für die Programme. Dominik Landwehr berichtet.

Kreuzlingen, Kaserne Bernrain. Ein kühler Frühlingsmorgen, nichts verrät, dass hier eine High-Tech Premiere stattfindet und der unscheinbare blaue Container auf dem Parkplatz könnte leicht für eine Baubaracke gehalten werden. Wer durch die Jalousien nach innen schaut wird jedoch überrascht: Hier sind sechs Computer-Arbeitsplätze eingerichtet, Kopfhörer liegen neben den Bildschirmen bereit, eine Klimaanlage garantiert, dass Container und Computer auch wärmere Tage unbeschadet überstehen. Erklärungen braucht es hier kaum: Der Kommdandant des Festungssektors 313, Hauptmann Coray setzt das mobile Klassenzimmer zum ersten Mal in einem seiner Grundkurse ein:"Wir haben einfach einen Lastwagen nach Thun geschickt und den Container hierhergebracht. Die Inbetriebnahme war denkbar einfach und wir benützen das System mit Erfolg, obwohl keiner von uns damit Erfahrung hat". Einfacher geht es wirklich kaum mehr - die wenigen nötigen Instruktionen sind in einem dünnen Heft zusammengefasst - die Ausbildungsprogramme sind weitgehend selbsterklärend.

Der blaue Container ist einer von vier mobilen Ausbildungsstationen, welche die Schweizer Armee seit kurzem benüzt. Sie ergänzen die festen Lernstationen, die heute bereits in 15 Kasernen im Einsatz stehen. Dazu gehören in der deutschen Schweiz die Kasernen von Frauenfeld, Herisau, Luzern, Wangen, Burgdorf und Thun. 25 Standorte mit 400 Computern sollen es bis Ende 96 sein. Die Computer sind Teil einer neuen Ausbildungsphilosophie, die nicht nur in der Schweizer Armee immer populärer wird: CUA - Computer unterstütze Ausbildung - (siehe Kasten).

Militärischer Strassenverkehr als Spiel

Ueber 20 Programmpakete mit total 250 Kursstunden stehen zur Verfügung: Allgemeine Informationen vermitteln etwa Programme zur Geheimhaltung, zum Kartenlesen oder zur Verkehrssinnbildung. Letzteres stiess auch ausserhalb der Armee auf grosses Interesse und nun will ein ziviler Verlag das Programm ebenfalls verkaufen. Um ganz spezifische Kenntnisse geht es in Programmen zur Schulung von Artillerie-Offizieren - hier werden eigentliche Schiessverfahren geübt. Flugzeug- und Panzer-Erkennung ist ein weiteres Anwendungsgebiet.

Wie funktionniert nun ein CUA-Programm konkret? - Ein Programm zu den Grundlagen des militärischen Strassenverkehrs soll zeigen, wie ein solcher Computer-Kurs aufgebaut ist. Es ist in acht Kapitel unterteilt und wie ein Spiel organisiert: Ziel ist der Bau einer Rundstrecke: Der Spieler erhält für jedes erfolgreich absolvierte Kapitel ein Strassenstück geschenkt. Mit Grafiken werden zunächst die Grundregeln erklärt - beispielsweise:"Im militärischen Strassenverkehr müssen auch die Regeln, die für Zivilpersonen gelten, respektiert werden". Darauf folgen eine Reihe von kurzen Filmsequenzen mit Beispielen - und plötzlich ist die Grundregel nicht mehr so banal: Ist der Pinzgauer-Fahrer beispielsweise verpflichtet, die Parkuhr zu füttern? - Die richtige Antwort (in diesem Fall ein Ja) braucht nur mit dem Finger angetippt zu werden. Etwas komplizierter ist es bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung: Dort droht ihm - anders als im Zivilleben - sogar ein Disziplinarverfahren. Und erst wenn alle Fragen richtig beantwortet sind, gehts weiter. Sonst heisst es: Zurück zu Feld 1 und die Erklärungen noch einmal durchgehen. Der Computer führt unbestechlich Protokoll und druckt am Schluss des Programms eine Bescheinigung aus: Fachoffizier Landwehr beispielsweise schaffte die Grundregeln zum militärischen Strassenverkehr mit einer Wiederholung - immerhin gewann er alle vier möglichen Bonuspunkte.

In der Kaserne Bernrain trainieren Profis - Berufsmilitär des Festunskorps und damit besonders kritische Wehrleute. Aber die Stimmung im elektronischne Klassenzimmer ist gelöst - das Echo auf die neue Technologie positiv. Die Motivation für das neue Gerät ist gross. Besonders Anklang findet das Programm zur Fliegererkennung:"Früher übten wir mit einem Büchlein in der Hand - heute sehen wir in realistischen Filmsequenzen die Flugzeuge und haben die Möglichkeit, dieselbe Szene x-fach zu wiederholen", meint etwa ein Kursteilnehmer. "Die Gameboy-Generation hat sowieso keine Probleme mit dieser Technologie, aber auch die 'älteren Semester' reagieren postiv", meint etwa Peter Bruderer, der heute Chef des ganzen Bereiches der CUA ist.

CUA passt ideal ins neue Armeeleitbild

Kürzere Ausbildungszeiten - effizienteres Training: einer der Grundgedanken der Armee 95, er könnte geradesogut über dem CUA-Konzept der Armee stehen. Treibende Kraft hinter der neuen Technologie ist Peter Bruderer, der das Büro für moderne Ausbildungstechnologien in Münsingen bei Bern leitet. Sein Büro gehört zum Stab der Gruppe für Ausbildung. Hier werden Software und Geräte entwickelt. Die Anforderungen sind klar: beide, Software und Geräte müssen narrensicher und einfach zu bedienen sein. In den grauen Kisten mit dem Namen MicroSim befinden sich heute ganz normale PC-Komponenten: Ein Mac-Computer mit CD-ROM und Bildplattenspieler, Tastatur und Maus sowie ein berührungsempfindlicher Bildschirm, ein sogenannter Touch-Screen. Damit steuert der Benützer die Programme - er braucht also überhaupt nicht mit der Computer-Technologie vertraut zu sein, sondern tippt mit dem Finger am Bildschirm einfach jene Lösung an, die ihm richtig scheint. Dank neuen Techniken zur Verdichtung von Daten, der sogenannten Komprimierung, kann in Zukunft auf den (analogen) Bildplattenspieler verzichtet werden - alle Daten, auch die speicherintensiven Videosequenzen werden auf dem CD ROM gespeichert, nicht anders als bei den zahlreichen Mulitmedia-Anwendungen, die heute auf dem Markt sind. Das ist nicht nur einfacher, sondern auch erheblich billiger: Der Preis für das Prägen einer CD liegt bei 3 Franken, eine Bildplatte kostet aber 50 Franken. Darin sind die Entwicklungskosten für die Software noch nicht eingerechnet. Natürlich könnte man sofort auf die neuere Technik umstellen, aber:"Wir müssen alle Stationen umrüsten und das braucht Zeit und kostet Geld", meint Peter Bruderer. Er spricht auch eine der Achillesfersen der neuen Technologie an: das hohe Innovationstempo - was heute modern ist, ist bereits morgen veraltet. Kompromisse sind immer wieder nötig - im Zentrum steht schliesslich auch bei der CUA-Technologie der Mensch der ausgebildet werden soll und nicht die Technik.

Auch die Software wird hier in Münsingen armeeintern entwickelt: Grundlage bilden dicke Drehbücher, in denen alle Details festgehalten werden. Mit Hilfe einer Standard-Datenbank wurde eine eigene Autoren-software geschaffen, sie ermöglicht eine genaue Beschreibung von Text, Grafiken, Bilder, Uebergängen und anderen Funktionen. Das Programm sortiert auf Knopfdruck Texte, Filmsequenzen, Grafiken etc.und stellt damit den jeweiligen Spezialisten ihr Arbeitsprogramm zusammen. Texte müssen so beispielsweise nur einmal eingegeben werden und die verschiedenen Spezialisten arbeiten immer mit dem gleichen, verbindlichen Material.

CUA ermöglicht ein schnelleres Lernen

Ist die computerunterstützte Ausbildung aber wirklich effizient - oder letztlich ein modischer Tribut an eine Zeitströmung, ein Mittel zur Imagekorrektur der Schweizer Armee? - Die Fakten sprechen dagegen: Instruktoren werden von Routine-Aufgaben entlastet und gewinnen mehr Zeit für individuelle Betreuung und Vorbereitung. Studien zeigen zudem, dass Schüler mit CUA bis zu 20% schneller lernen und - was noch weit wichtiger ist - dass das Gelernte auch länger im Gedächtnis haften bleibt, als bei der Verwendung von traditionellen Lernmethoden.

KASTEN

Auch Grosskonzerne setzen auf Computerunterstützte Ausbildung

CUA ist nicht eine Erfindung der Schweizer Armee, sondern eine Lerntechnologie, die immer populärer wird. Ihr grösstes Handicap: sie erfordert hohe Investitionen. Die Entwicklung eines einzelnen Lernprogramms mit bewegten Bildern kostet rund 350 000 Franken. In einem einzigen Lernprogramm stecken zahlreiche Filmsequenzen, Dutzende wenn nicht gar Hunderte von Grafiken, Bildern, dazu kommt Text und in der Regel auch ein Audio-Teil, also Geräusche, Musik, Sprache. Die hohen Entwicklungskosen müssen jedoch in Relation gesetzt werden zum Nutzen: Wird ein CUA Programm in einem Fachgebiet, das einen grossen Adressatenkreis hat eingesetzt, so sind die Kosten schnell amortisiert: Programme wie sie im nebenstehenden Artikel geschildert sind, werden in der Schweizer Armee oft von l0 000 und mehr Adressaten pro Jahr beansprucht. Die Investition kann sich auch lohnen, wenn der Anwenderkries klein, das vermittelte Fachwissen aber extrem spezifisch ist: Ein solches Beispiel ist die Grundlagenausbildung für die Radionavigation.. Eine Routineausbildung, die aber immer wieder das Fachwissen eines erfahrenen Piloten braucht.

Einer der grössten privaten Entwickler für CUA-Programme ist Gustav Furrer, der in seinem Betrieb in Zürich rund 50 Personen mit der Entwicklung von CUA-Software beschäftigt. Sein Urteil über die Programme der Schweizer Armee: "Die Schweizer Armee dürfte der grösste Produzent von CUA-Programmen inder Schweiz sein - qualitativ sind diese Programme absolut Spitze". Furrer weist auch darauf hin, dass man in der Armee schon seit langer Zeit Erfahrung mit CUA gesammelt hat - bereits im Jahr 1988 hat die Schweizer Armee nämlich an der Didacta in Basel zum Erstaunen der ganzen Fachwelt erstklassige CUA-Programme präsentiert

Auch in Schweizer Grosskonzernen hat CUA bereits heute einen festen Platz. Seit 13 Jahren Erfahrung mit verschiedenen Formen der CBT hat beispielsweise die Schweizerische Bankgesellschaft in Zürich. Dort existieren zahlreiche Programme - zu allgemeinen, aber auch zu bankspezifischen Fragen. Behandelte Themen sind dort unter anderem: Schalterdienst, Personalbeurteilung, Banküberfall, Brandschutz, Geheimhaltung. Gian Piero Bolzern, der bei der SBG für CUA zuständig ist, rechnet für die Produktion eines einfachen Programmes mit 80 - 120 000 Franken; sind im Programm bewegte Bilder so steigen die Kosten rasch auf 200 000 Franken und mehr. Auch bei der SBG macht man positive Erfahrungen mit dieser Lerntechnologie. In Zukunft will man statt Einzeltechniken vermehrt ganze, komplexe Geschäftsabläufe üben. Gleichzeitig sucht man nach Mitteln, die hohen Kosten herunterzubringen. Dabei studiert man auch die Möglichkeit, CUA-Kurse im Baukastensystem zu entwickeln - das heisst, dass man Steuerungselemente für die Programme mehrfach verwenden kann und nur die Inhalte auswechselt.

Mehr Informationen über die Computerunterstützte Ausbildung vermitteln:


Dieser Artikel erschien am 25.August 1995 in der Schweizer Tageszeitung TAGES-ANZEIGER


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Lesen Sie dazu auch den Artikel : IKRK und Schweizer Armee produzieren CD ROM zum Kriegsvölkerrecht



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