Publiziert in der Wochenzeitung "Brueckenbauer" Nr.42 vom Oktober 1996
Wie kam es zur verstärkten Integration der Schwarzen
in die Mittelklasse?
In den letzten 25 Jahren wurden viele Stellen für die Mittelklasse geschaffen. Der
Arbeitsmarkt wurde für diese Bevölkerungsgruppe geöffnet. Dann wurden Schwarze
auch ermuntert und gefördert, beispiels weise durch Quotenregelungen, sogenannte
Affirmative-Action-Programme. Auch die Bürgerrechts bewegung hat dazu
beigetragen.
30 Prozent der Schwarzen leben unter der Armutsgrenze.
Dieser Anteil ist dreimal so gross wie bei den Weissen. Warum?
Viele Stellen für weniger qualifizierte Leute wurden wegrationalisiert. Das hat
verheerende Auswirkungen in den Innenstadtquartieren, die heute häufig
ausschliesslich von Schwarzen bewohnt werden. Diese Gegenden sind jetzt total
verarmt. Es gibt dort eine enorm grosse Kriminalität. Bewaffnete Gangs terrorisieren
die Bevölkerung. Oft sind die Schulen mehr Aufbewahrungsanstalten für Kinder als
etwas anderes. Wer es sich leisten kann, zieht weg. Das verschlimmert den
Teufelskreis.
Warum konzentriert sich diese Entwicklung auf die Innenstädte?
Die industrielle Arbeit in den Städten ist verschwunden. An ihre Stelle ist die Arbeit im
Dienstleistungsbereich in den Vorstädten getreten. Vor 25 Jahren waren die schwarzen
Quartiere der Innenstädte von einer armen, aber werktätigen Bevölkerung bewohnt.
Heute kommt zur Armut die Arbeitslosigkeit dazu.
Sind auch Weisse vom Verschwinden der industriellen Arbeit und der Verlagerung der
Arbeit in die Vorstädte betroffen?
Die schwarze Unterklasse in den Ghettos ist verarmt und kommt nicht mehr aus
eigener Kraft von dort weg. Viele Menschen aus diesen Quartieren haben eine
schlechte Ausbildung, die ihnen auf dem heutigen Arbeitsmarkt keine Chance bietet.
Zudem konkurriert die schwarze Unterschicht heute auch mit den neuen Einwanderern
aus Asien und Mittelamerika um die neuen Jobs.
Was hat dies für Auswirkungen auf die amerikanische Gesellschaft? Die klare Trennung zwischen den Innenstädten und den Vorstädten, wie wir sie heute beobachten, ist gefährlich, denn sie führt zu einer neuen Spaltung.
Sehen Sie auch Parallelen zur Situation in den europäischen Städten?
Ich war kürzlich in London und hatte den Eindruck, dass es auch dort solche
Entwicklungen gibt. Die meisten europäischen Länder haben aber ein weit besseres
Sozialsystem als wir, das ein Abgleiten der verarmten Bevölkerung in die Kriminalität
verhindert. Ich weiss aber nicht, wie lange sich Europa dieses teure System noch wird
leisten können.
Welche Lösungen sehen Sie für die Probleme der amerikanischen Innenstädte?
Wir brauchen eine langfristige Perspektive. Dazu gehören Verbesserungen bei Schule
und Ausbildung. Dann müssen neue Stellen geschaffen werden. Weiterhin braucht es
auch die Quotenregelungen. Solche Programme sind zwar teuer, aber wir können sie
bezahlen, wenn wir diese wichtigenFragensoernstnehmen,wie sie in Wirklichkeit sind.
Es hat keinen Sinn, nur Kosmetik zu betreiben.
Kurzbiographie (via Harvard) von Wilson und ein Aufsatz von ihm aus dem Jahre 1988
Sein neustes Buch "When Work Disappears" ist nicht unumstritten: Joe Klein, Kolumnist bei "Newsweek" setzt sich in der Zeitschrift "The New Republic" kritisch damit auseinander.